Talentföderklasse im Schulhaus Schützenmatt Solothurn

Landammannbesuch im Schulhaus Schützenmatt und Interview mit Meret und Noah

Portrait von Noah Bitterli, Kunstturner und Schüler der Talentföderklasse

Portrait von Meret Lüthi, Mountainbikerin und Schülerin der Talentföderklasse

Bildergalerie

Bericht aus DBK aktuell 2/17

Wie junge Talente gefördert werden

Im Schulhaus Schützenmatt sieht man häufig junge Sport- und Musiktalente ein- und ausgehen. Grund dafür ist das Angebot der Talentförderklasse (TFK). Hier wird auf Sekundarstufe I in den Profilen B und E für den talentierten Nachwuchs explizit der Stundenplan umorganisiert und es werden Freiräume zum Trainieren und für Wettkämpfe geschaffen. Im Rahmen der monatlichen Landammannbesuche war Remo Ankli, Landammann und Vorsteher des Departements für Bildung und Kultur (DBK), am 5. April in spezieller Mission vor Ort. Er wollte aus erster Hand erfahren, wie man intensives Training und eine schulische Karriere in Einklang bringt und hat dazu je eine Schülerin und einen Schüler der TFK interviewt.

Irène Schori, Schuldirektorin der Stadtschulen Solothurn, empfing die Delegation des DBK in der Mediothek des Schulhauses Schützenmatt. Mit einer kurzen Einführung in das Konzept der Talentförderklasse (TFK), zeigte Stefan Kohler, Koordinator TFK, was in einer solchen Klasse anders ist als in einer Regelklasse...

Die Schülerinnen und Schüler der TFK haben ein reduziertes Unterrichtspensum von 25 Lektionen pro Woche. Das sind rund acht bis dreizehn Lektionen weniger als in einer normalen Klasse. Trotzdem absolvieren sie die Sekundarstufe I, wie alle anderen, in drei Jahren. Der Fokus liegt klar auf den schulischen Leistungen und damit diese nicht vernachlässigt werden, gibt es zusätzlich bis zu acht Lektionen bedarfsorientierter Stütz- und Förderunterricht (BSF). Dieses zentrale Element ermöglicht es, dass die Schülerinnen und Schüler bei mangelnden Leistungen oder bei Defiziten in der selbstständigen Arbeit mit einer individuellen Betreuung die verpassten Inhalte wieder aufarbeiten können. Auf der anderen Seite können sich die jungen Talente auch Freiräume erarbeiten. Indem sie ein einwandfreies Arbeits-, Lern- und Sozialverhalten (ALSV) an den Tag legen, können sie von den BSF-Lektionen zu Gunsten von Morgentrainings und Freizeit befreit werden oder für eigene schulische und ausserschulische Projekte nützen - Ganz nach dem Prinzip "Learn and earn".

Die Anforderungen in der TFK sind hoch. Neben den schulischen Leistungen müssen die Jugendlichen auch mindestens zehn Stunden Training pro Woche absolvieren, einen jährlichen Leistungsnachweis oder eine Talentbescheinigung von ihren Trainer/innen oder Betreuer/innen einreichen und sich einmal im Jahr einer sportärztlichen Untersuchung unterziehen. Die Schule arbeitet eng mit den Sportverbänden, den Trainern und Eltern zusammen, damit eine Überbelastung durch Schule und Talentförderung frühzeitig wahrgenommen und korrigiert werden kann.

Die Anwesenden waren sichtlich überrascht, was von den Jugendlichen erwartet wird und so machten sie sich gespannt auf den Weg ins Klassenzimmer. Bereits beim ersten Klassenbesuch geht es um "Leben und Tod". Die Lehrerin, Eva Birri, zeigte im Vorfeld den Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse den Kurzfilm "Sommersonntag", in dem es um das sogenannte "Trolley Problem" geht. Der Brückenmeister Hansen sorgt dafür, dass die Hubbrücke unten ist, wenn ein Zug durchfährt und dass sie oben ist, wenn ein Schiff durchfährt. An jenem Sonntag läuft einiges schief und so muss Hansen letztlich entscheiden, ob er die 293 Passagiere des Zuges rettet oder seinen gehörlosen Sohn - beides war nicht möglich. In kleinen Gruppen erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler Antworten auf schwierige Fragen: In welchem Dilemma befindet sich der Vater? Hat der Vater richtig gehandelt? Warum? Wie hätte es anders ausgehen können? Welche Konsequenzen muss der Vater tragen? Auch in den Gesichtern der Besucher war ablesbar, dass diese Aufgabe eine grosse Herausforderung darstellte. Auffallend war der Schüler, der nach seinem Training später zur Klasse stiess. Er erhielt von Frau Birri ein iPad, auf dem er den Film selbstständig anschaute. Im Anschluss begab er sich zu einer Gruppe und stieg mitten in die Diskussion ein.

Im zweiten Klassenbesuch bei Roland Marti, Deutschlehrer, stand die Besprechung der Aufsätze der vergangenen Woche auf dem Programm. Hier waren die iPads omnipräsent, denn Auszüge mit Fehlern aus verschiedenen Aufsätzen wurden von Herr Marti zuvor auf der Dropbox (virtueller Speicherort) hinterlegt. Nun griffen alle via das iPad auf das Dokument zu und markierten, was jeweils falsch war und hörten sich mit ihrem Handy die Audiodateien der Sätze auf Dropvox an, um ein Gefühl für Orthografie und Aussprache zu bekommen. Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern erfuhr Remo Ankli, dass beim Eintritt in die TFK jede und jeder ein iPad erhalte. Dies ermögliche den Zugriff auf einen gemeinsamen und einen persönlichen Ordner in der Dropbox. Dort wiederum seien Ordner nach Fächer gegliedert abgelegt, in denen die Lehrpersonen Dokumente, Aufgaben, Lösungen und weitere Unterrichtsmaterialien speichern. Stefan Kohler ergänzte, dass so die Lerninhalte jeder Zeit verfügbar sein würden, egal ob auf dem Weg ins Training, zu Hause oder im bedarfsorientierten Stütz- und Förderunterricht (BSF) ohne dass die Talente zusätzlich zum Sportmaterial noch viele Bücher mitschleppen müssten.

In der darauffolgenden Pause diskutierten die Gäste mit den Lehrpersonen über die Möglichkeiten und das Potenzial der neuen, digitalen Hilfsmittel im Unterricht. Der Tenor war unisono der gleiche: Gerade für die Talentförderklasse sind diese Geräte und die dazu passenden Infrastrukturen eine Notwendigkeit, da sie ortsungebundenes, selbstständiges Lernen ermöglichen und die Lerninhalte jeder Zeit abrufbar sind. Es gab auch teils kritische Rückmeldungen in Bezug auf Kosten/Wartung der Geräte und die fortwährende Erreichbarkeit der Lehrpersonen. Stefan Kohler erklärte, dass diese Punkte bekannt seien. Die Lehrerinnen und Lehrer würden klare Regeln zur Kommunikation setzen und bei den Geräten gäbe es verschiedene neue Ansätze und Lösungen, die zurzeit geprüft würden. Grundsätzlich seien die alten iPads weiter zu verwenden, doch plane man künftig beim Start einer neuen Talentförderklasse die Anschaffung neuer Geräte, die dann gegen ein Depot abgegeben würden. Am Ende der Schullaufbahn hätten die Schülerinnen und Schüler dann die Wahl, das Gerät entweder zu behalten oder, wenn es unversehrt und intakt sei, im Austausch gegen das Depot wieder abzugeben.

Nach den Pausengesprächen folgte der zweite Teil des Besuches: Ein Interview mit den beiden Talenten Meret Lüthi und Noah Bitterli. Normalerweise beantwortet der Landammann Fragen, doch war es diesmal umgekehrt. Die Fragen kamen von Remo Ankli und er wollte einiges von den beiden wissen. Während der Vorstellungsrunde zeigte sich rasch, dass die beiden ihre Sportarten mit viel Leidenschaft und seit längerer Zeit betreiben. Meret hat sich mit Leib und Seele dem Mountainbiking verschrieben. Ihr grösster Erfolg war bis jetzt der 3. Platz an der Junioren EM 2015 in Graz. Im Winter trainiert sie im Velodrome in Grenchen, die restliche Zeit trifft man sie im Solothurner Jura oder beim Krafttraining an. Noah ist Kunstturner im Regionalen Leistungszentrum Solothurn (RLZ). Während der Woche pendelt er mit dem Fahrrad zwischen Turnhalle und Schule hin und her. Naheliegend war für Remo Ankli die Frage, wie viel sie denn pro Woche trainieren würden. Bei Meret sind es zwischen 13 und 15 Stunden, bei Noah rund 25 Stunden. Bei soviel Programm wollte Remo Ankli anschliessend wissen, ob es denn noch Zeit für andere Hobbys oder für Freizeit gäbe, worauf Noah ziemlich cool antwortet: "Es gibt ja noch Schulferien und im Winter gehe ich auch gerne Skifahren." Im Verlauf des Interviews zeigte sich, dass es nicht möglich ist, so viel zu trainieren und nebenbei noch ein reguläres Schulpensum zu absolvieren. Und hier liegen die grossen Vorzüge der TFK. Meret und Noah betonten, dass Dank der in der TFK geschaffenen Freiräume, eine Karriere im Sport überhaupt ermöglicht würde.

Ein professionelles Kamerateam zeichnete das ganze Interview auf. Dieses und die beiden Portraits über die jungen Talente werden in den kommenden Wochen auf verschiedenen Webseiten veröffentlicht. Weitere Informationen dazu folgen in der nächsten Ausgabe des DBK aktuell.

Ein äusserst interessanter und aufschlussreicher Vormittag neigte sich dem Ende zu, als sich Remo Ankli bei allen Beteiligten herzlichst bedankte. Überrascht von der Leidenschaft und der Motivation der Jugendlichen und der Lehrpersonen in der Talentförderklasse, gingen die Gäste in die Mittagspause.

Fotos und Text: D. Müller, DBK DS