Programmieren in der Primarschule - Informatische Bildung

Programmieren in der Primarschule

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Bericht aus DBK aktuell 4/17

Programmieren in der Primarschule

Ab dem Schuljahr 2014/2015 haben interessierte Lehrpersonen mit dem Lernkonzept "Scalable Game Design" gearbeitet. Die Lehrpersonen bereiteten sich auf den Unterricht mit Programmieren vor, die Schülerinnen und Schüler der Primarschule lernen programmieren. Nach der Evaluation der gemachten Erfahrungen wurden am 24. Mai 2017 die Ergebnisse und Erkenntnisse im Rahmen eines medienbegleiteten Schulbesuchs von Herrn Landammann Remo Ankli an der Primarschule Kaselfeld in Bellach präsentiert.

Das Interesse auf Seiten der Medien und der Fachpresse am Schulbesuch, der vom Volksschulamt des Kantons Solothurn (VSA) organisiert wurde, war sehr gross. So erschienen zahlreiche Journalistinnen und Reporter morgens zur Präsentation der Ergebnisse. Eröffnet und moderiert wurde der Anlass von Elisabeth Ambühl-Christen, Abteilungsleiterin Schulbetrieb im VSA. Neben den Experten Prof. Dr. Alexander Repenning, Leiter informatische Bildung an der Pädagogischen Hochschule FHNW (PH FHNW) und Andreas Walter, Chef Volksschulamt Kanton Solothurn, war auch Bildungsdirektor und Landammann Remo Ankli vor Ort. Er wollte aus erster Hand erfahren, wie sich das Lernkonzept bewährt. In seiner Rede unterstrich Remo Ankli die Wichtigkeit von "Computational Thinking" (mit dem Computer denken): "Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Schule den Anschluss an die digitalen Entwicklungen nicht verpassen." Er sprach von einer Parallelentwicklung zur Industrie 4.0, in der sich auch die Schule weiterentwickeln und anpassen müsse und nannte diese "Bildung 4.0".

Im Anschluss zeigte Andreas Walter auf, wie im Kanton Solothurn die informatische Bildung aufgebaut ist und welche Ziele damit erreicht werden sollen. Die informatische Bildung hat im Kanton Solothurn eine langjährige Tradition. Er verwies auf den Volksschullehrplan aus dem Jahr 1992, der auch den ersten Informatiklehrplan enthält. Seither wurden Investitionen in die informatische Bildung und die Infrastrukturen getätigt. So ist seit 2008 ICT (Informations- und Kommunikationstechnik) respektive informatische Bildung mit einer Wochenlektion fester Bestandteil des Lehrplans von der 3. Primarschule bis zur 3. Klasse der Sek I. Die digitale Welt entwickelt sich in rasantem Tempo weiter und so müsse die Schule Antworten auf die Frage: "Wie können wir Schülerinnen und Schüler auf die digitale Gesellschaft vorbereiten?" finden. Damit müssen die Jugendlichen die neuen Technologien nicht nur anwenden können, sondern auch verstehen. Und hier setzt das Lernkonzept Scalable Game Design an.

In Zusammenarbeit mit der Professur für informatische Bildung der PH FHNW hat das Volksschulamt dieses Projekt lanciert. Zuerst wurden die Lehrpersonen mit Weiterbildungen und Workshops ausgebildet. Dabei waren keine Vorkenntnisse nötig. Alexander Repenning betonte in seinen Ausführungen, dass ein solches Projekt nur Erfolg habe, wenn das Lernen der Grundzüge des Programmierens einfach und spannend gestaltet würde. Und so wird eine Software benutzt, in der man keine langen Codes schreiben muss, sondern sich auf das Gestalten von Figuren und Aufgaben konzentrieren kann. Dies vereinfacht nicht nur die Vorbereitung der Lehrpersonen, sondern ermöglicht auch einen raschen und anwendungsfreundlichen Zugang für die Kinder. Die Programme "AgentSheets" und "AgentCubes/online" sind so gestaltet, dass man Figuren und Spielumgebungen mit den entsprechenden Werkzeugen selber kreieren kann. In etwa so, wie wenn man in einem Textverarbeitungsprogramm den Prosatext gestaltet. Der grosse Unterschied ist, dass man nach der Erstellung der Figuren und Umgebungen dem Spiel Aufgaben und Abläufe zuweist. Und hier kommt der noch junge Begriff Computational Thinking zum Zuge. Dieses Kernelement des Lernkonzepts Scalable Game Design umschreibt in zwei Worten, was die Kinder in diesem Unterricht lernen sollen: Sie müssen Probleme erkennen, Abläufe nachvollziehen, Herangehensweisen finden und Lösungsansätze erarbeiten, um letztlich das Problem zu lösen. Diese Denkweise beschränkt sich nicht nur auf die Informatik, sondern findet sich auch in anderen Disziplinen wie der Mathematik oder auch in den Natur- und Wirtschaftswissenschaften wieder.

Das Fazit nach der Testphase ist durchwegs positiv ausgefallen. Mit einer Umfrage bei den sieben beteiligten Lehrpersonen, deren 138 Schülerinnen und Schülern und 67 Eltern wollten die Experten herausfinden, was gut am Konzept ist, wo es Verbesserungspotential gibt und welchen Lerneffekt das spielerische Programmieren hat. Die Lehrerinnen und Lehrer stellten fest, dass die Weiterbildung die Lehrpersonen gut auf den Unterricht vorbereitet und damit ein ansprechender und interessanter Unterricht gestaltet werden kann. Weiter haben die Lehrpersonen angegeben, das Grundkonzept von Computational Thinking zu verstehen und dies mit Hilfe der Programme den Kindern zu vermitteln. Sie schätzen das Lernpotential von Scalable Game Design als hoch bis sehr hoch ein und alle sieben waren der Meinung, dass das Spiele-Programmieren die Kreativität und die Zusammenarbeit unter den Kindern fördere. Diese Aussagen decken sich mit den Auswertungen der Fragebögen der Schülerinnen und Schülern. So gaben 72.9 % aller Kinder an, dass sie "gerne" oder "eher gerne" mit AgentSheets/AgentCubes arbeiten. Noch mehr (78.9 %) schrieben, dass sie etwas Neues gelernt haben. Am besten gefällt den Kindern: selbstständiges Arbeiten, den Charakter des Spiels herzustellen, das Zeichnen, das Programmieren und für einige, das Spiel am Schluss zu spielen. Eine grosse Mehrheit der Eltern berichtete, dass ihre Kinder über den Unterricht zu Hause erzählten. Zudem ist aus den Antworten der Eltern deutlich ersichtlich, dass diese den Unterrichtsinhalt informatische Bildung unterstützen und als eine wertvolle Investition in die berufliche Zukunft ihrer Kinder erachten. Bei seiner Präsentation hob Alexander Repenning ein paar prägnante Antworten hervor. So schrieb beispielsweise ein Kind auf die Frage "Was hat dir gefallen?": Das Programmieren des Spiels und dass wir zuhause weitermachen dürfen. Dies zeige deutlich, dass die Motivation unter den Schülerinnen und Schülern gross war, meinte Repenning.

Nach der Pause waren nun alle neugierig, wie denn der Unterricht mit Scalable Game Design aussieht und so machten sie sich auf den Weg ins Zimmer zu Mike Järmann, wo die 5.-Klasskinder mitten im Programmierfieber waren. Die Gäste wurden zuerst kaum zur Kenntnis genommen, und so sah man die Schülerinnen und Schüler konzentriert hinter den Laptops am Arbeiten. Als die Medienleute mit Kamera und Mikrofon die ersten Interviews durchführten, kam Leben in den Raum. Die Kinder erzählten mit leuchtenden Augen, wie das Programmieren funktioniere und mit welchen aktuellen Problemen sie beschäftigt seien. Einige suchten Hilfe beim Lehrer, andere waren zu zweit an einem Computer und versuchten einander gegenseitig zu helfen. Ana in der hintersten Reihe war gerade am Level 2 gestalten. "Das Fach macht sehr viel Spass. Besonders das Dekorieren ist spannend. Man hat viele Möglichkeiten, das Spiel zu gestalten", antwortet sie ohne vom Laptop aufzublicken. Und schon ging es weiter mit Gestalten und Dekorieren. Dann war da noch David. Als einziger hatte er keinen Laptop vor sich und zirkulierte unter den Klassenkameradinnen und -kameraden. Er half mal da, sagte dort wie etwas funktioniert und nutzte die Gelegenheit, dem Experten Alexander Repenning ein paar ungelöste Probleme zu schildern. Auf die Frage, warum er nicht am Programmieren sei, antworte er kurz, er habe bereits alle Levels gestaltet. Durch Nachfragen fanden wir heraus, dass es 10 Levels gibt und weil er zu Hause den Computer vom Vater ausleihen durfte, konnte er bereits alle Levels gestalten, programmieren und abschliessen. Das sei der Vorteil eines webbasierenden respektive eines internetbasierenden Programmes. Geräteunabhängig könne man so jeder Zeit von überall her auf die Programme zugreifen. Einzig ein Zugang zum Internet werde benötigt, erklärte Alexander Repenning. David ist nun als Assistent von Herrn Järmann im Einsatz und hilft den Klassenkameradinnen und -kameraden bei Problemen. Nach zahlreichen Fotos, Filmaufnahmen und Interviews endete die Scalable Game Design Stunde und somit auch der Besuch. Die anwesenden Erwachsenen waren beeindruckt von der Selbstverständlichkeit der Kinder beim Programmieren.

Fotos und Text: D. Müller, DBK DS