«Wir bringen es unter einen Hut»

INTERVIEW Frau Landammann Esther Gassler über ihre Wahrnehmung des Kantons Solothurns, seiner Bevölkerung und das Verhältnis zu Zürich.

FRÄNZI RÜTTI-SANER


Frau Gassler, was kann und soll ein Auftritt des Kantons Solothurn am ZürcherSechseläuten dem Kanton bringen?

Esther Gassler: Das Sechseläuten hat eine sehr hohe mediale Ausstrahlung und so bietet dieser Auftritt eine Möglichkeit, unseren Kanton im besten Licht zu präsentieren. Wir wollen zeigen, wer wir sind, wie unser Kantonsgebiet aussieht, unsere Natur und Kultur, unser Wirtschaftsstandort. Es ist die Gelegenheit, die vielfältigen Aspekte und Facetten zu präsentieren, die wir in unserem Kanton unter «einen Hut» bringen. Viele Unterschiede zu einem Ganzen zu vereinen, ist eine Eigenschaft, die wir Solothurner bestens beherrschen. Und – wir werden uns herausputzen. Eben so, wie man es macht, wenn man zu Besuch geht.

Welches sind denn aus Ihrer Sicht die Stärken des Kantons Solothurn, die wir aufzeigen sollten?
Gassler: Eine Stärke des Kantons Solothurn ist ganz gewiss die gute Verkehrslage. Das erkannten ja bereits die Römer. Von unserem Kantonsgebiet aus sind die drei Deutschschweizer Zentren Bern, Basel und Zürich in Pendlerdistanz zu erreichen. Als weitere Stärke möchte ich bei allen Gemeinsamkeiten die Eigenheiten unserer drei Städte nennen. Grenchen mit seinen modernen Wirtschaftsbereichen und dem Flugplatz, Olten mit seiner guten Erreichbarkeit durch den öffentlichen und privaten Verkehr und die Hauptstadt mit ihrer barocken Vergangenheit. Dazu gehören aber auch die unverwechselbaren Landschaften: das Gäu, das als Logistikzentrum der Schweiz wahrgenommen wird. Die Bezirke Dorneck und Thierstein mit ihrem engen Kontakt zu Basel, aber auch die westlichen Teile des Kantons mit den Verbindungen in die Romandie und die ländlich geprägten Bezirke Thal und Bucheggberg. All diese unterschiedlichen Regionen machen die Stärke des Kantons Solothurn aus.

Aus Ihrer Sicht als Volkswirtschaftsdirektorin: wo steht die Solothurner Wirtschaft derzeit?
Gassler: Die Wirtschaft hat sich nach den schwierigen Jahren sehr gut erholt. Wir können heute solide Wachstumszahlen präsentieren und – ganz wichtig: die Solothurner Wirtschaft kann sich auch im Export-Markt gut behaupten. Wir haben den Strukturwandel der Siebziger- und Achtzigerjahre als Chance genutzt. Doch müssen wir achtsam bleiben und den Wandel stetig mitverfolgen. Fit und agil bleiben ist das Gebot der Zeit, denn die Entwicklungen gehen rasch voran. Indem der Staat gute Rahmenbedingungen schafft, tragen wir zu Wirtschaft und Wohlstand Sorge. Auch müssen wir durch ein gutes Schulsystem gewährleisten, dass die dringend benötigten Fachkräfte auch im Kanton ausgebildet werden. Wir Solothurner haben gelernt, in schwierigen Zeiten zusammenzustehen. Diesen Solothurner Geist müssen wir weiter pflegen.

Was glauben Sie, welches Image hat unser Kanton heute in der Schweiz und speziell in Zürich?
Gassler: In den verschiedenen Schweizerischen Gremien, in denen ich als Regierungsrätin Einsitz habe, verspüre ich stets, dass man den Solothurnern viel Respekt entgegenbringt. Solothurn wird eine Brückenfunktion attestiert und wegen seiner relativen Kleinheit kommt er auch «unverdächtig» daher.
Ich denke, dass der Stadt-Zürcher im Allgemeinen über keine grossen Vorstellungen zum Kanton Solothurn verfügt. In Anbetracht der Grössenverhältnisse der beiden Kantone ist das auch verständlich. Umso nützlicher ist so ein Auftritt am Sechseläuten für uns. Wir möchten, dass wie in einem kurzen Spot das Scheinwerferlicht auf uns Solothurner gelenkt ist.

Sie selbst stammen ja auch von «ausserhalb». Wie haben Sie als ehemalige Thurgauerin den Kanton Solothurn früher wahrgenommen?
Gassler: Obwohl ich im Thurgau aufgewachsen bin, hatte ich schon als Kind einen engen Bezug zum Kanton Solothurn. Dies, weil ich oft die Ferien in Däniken, bei meinen Grosseltern väterlicherseits verbringen konnte. Schon damals schienen mir die Leute, denen ich begegnete, sehr weltoffen und sehr geschäftig. Das empfinde ich heute noch so. Die Solothurner zeichnen sich durch eine grosse Offenheit aus. Später, als Gemeindepräsidentin von Schönenwerd, fiel mir immer wieder auf, mit wie viel Aufgeschlossenheit man auch bei kontroversen Themen politisiert. Man fightet hart in der Sache, setzt sich dann aber wieder gemütlich zusammen. So kommt man ans Ziel, denn nur gemeinsame Lösungen sind gute Lösungen.

Solche «Freigeister» diskutieren auch gerne darüber, den Kanton Solothurn zwischen Bern, Basel und Aargau aufzuteilen oder einen Kanton Nordwestschweiz zu gründen. Was sagen Sie dazu?
Gassler: Solche Diskussionen tauchen immer wieder auf. Der Kanton Solothurn bewährt sich jedoch seit 1481 und leistet gute Dienste, trotz – oder gerade wegen –seines ungewöhnlichen Grenzverlaufs. Tatsache ist, dass sich die Regierung um die Anliegen aller Regionen, sei dies das Schwarzbubenland, der Bucheggberg oder das Niederamt immer speziell kümmert. Generell möchte ich betonen, dass durch die überschaubare Grösse unseres Kantons die Wege jedes Einzelnen zur Regierung und ins Rathaus kurz sind. Dies betrachte ich ebenfalls als eine grosse Stärke unseres Kantons.

In welcher Beziehung stehen Sie persönlich zur Stadt Zürich. Kennen Sie sich dort aus?
Gassler: Dadurch, dass ich im Niederamt wohne, bin ich Richtung Zürich orientiert und kenne die Stadt relativ gut. Ich freue mich bei einem Besuch immer wieder über die schöne Lage der Weltstadt und geniesse die Infrastruktur und das tolle kulturelle Angebot. Als Volkswirtschaftsdirektorin muss ich sagen: Vom Wirtschaftsmotor Zürich profitiert die ganze Schweiz und natürlich auch der Kanton Solothurn.

Auftreten am Sechseläuten ist eine alteTradition, bei welcher Frauen keine grosse Rolle spielen. Ist Ihnen als «höchste» Solothurnerin im Vorfeld der Organisation diese Tatsache besonders bewusst geworden?
Gassler: Nein, eigentlich nicht. Ich habein keiner Art und Weise Ressentiments gespürt. Wir sind doch auch, nach so vielen Jahren Frauen-Emanzipation, ein paar Schritte weiter und eine «Frau Landammann» ist eine Selbstverständlichkeit. In meiner politischen Arbeit ist das so. Allerdings frage ich mich manchmal, ob sich die junge Generation Frauen noch bewusst ist, was die Frauen vor gut dreissig Jahren erfochten haben. Auch die junge Frauen-Generation darf nicht aufhören, sich für Gleichberechtigung einzusetzen.

Mit freundlicher Genehmigung Solothurner Zeitung / Grenchner Tagblatt